Kinderladen Bottrop e.V.

Wie alles begann

Die Initiative zur Gründung eines Kinderladens in Bottrop Anfang der Siebziger Jahre ging aus von dem Kinderarzt Dr. Hans J. Dietrich, der gemeinsam mit einigen Eltern die Gründungsversammlung vom 18.02.1972 organisierte, auf der die Gründung des Vereins „Kinderladen Bottrop e.V.“ erfolgte. Gleichzeitig wurde eine Satzung verabschiedet, in der der Vereinszweck wie folgt definiert wurde:
„Zweck des Vereins ist die individuelle Förderung nicht schulpflichtiger Kinder. Dieses Ziel soll vor allem durch Bildung und Unterhaltung eines Kinderladens erreicht werden.“
Die Eintragung ins Vereinsregister und die Anerkennung als „Träger der freien Jugendhilfe“ bei der Stadt Bottrop waren die nächsten Schritte, die der neu gewählte Vorstand angehen musste, um an die notwendigen finanziellen Mittel für die Einrichtung und Unterhaltung des Kinderladen zu kommen. Erst ein Jahr später, am 02.04.1973, konnte in den Räumen der ehemaligen Lohnhalle der Zeche Prosper I an der Essener Straße die Arbeit aufgenommen werden.

Eltern sind gefordert

Elternmitarbeit wird groß geschrieben

Die Eltern des Kinderladens waren entschlossen, sich intensiv um die Erziehung ihrer Kinder zu kümmern und ihre Erziehungsverantwortung nicht an professionelle Erzieher abzugeben. Aus diesem Grunde war von Anfang an geplant, neben der hauptamtlichen Erzieherin täglich zwei Elternteile zur Betreuung der Kindergruppe heranzuziehen. Einrichtung und Instandhaltung sowie Säuberung der Räumlichkeiten waren Aufgaben, die im täglichen Wechsel von den Eltern übernommen wurden. Verpflichtend war auch die Teilnahme beider Elternteile an den monatlichen Elternversammlungen, auf denen Grundsätze der Bildungs- und Erziehungsarbeit diskutiert und beschlossen wurden. Daneben gab es regelmäßig stattfindende Arbeitskreise, in denen Erziehungsfragen diskutiert und Beschlussvorlagen für die Elternversammlung vorbereitet wurden. Die Sitzungen wurden wechselweise von den Eltern geleitet unter Vorgabe einer Tagesordnung, auch Protokolle wurden geschrieben und Anwesenheitslisten geführt.Außerdem oblag den Eltern die Organisation und Durchführung des Fahrdienstes, der die Kinder morgens aus den verschiedenen Stadtbezirken abholte und am Nachmittag wieder zu den Eltern zurückbrachte. Diese immense Belastung der Elternteile war nur möglich, weil ein Großteil der Mitglieder sich noch im Studium befand oder nur ein Partner ganztägig berufstätig war. Vor allem das Fehlen einer ausgebildeten Fachkraft machte auf die Dauer ein kontinuierliches Arbeitsprogramm unmöglich und konnte auch durch die zeitweise Anstellung von Kindergartenhelferinnen nicht ausgeglichen werden.

Repressionsfrei und antiautoritär?

Ein Gegenmodell zur herkömmlichen Erziehung

Der pädagogischen Arbeit im Kinderladen lagen folgende Überzeugungen zugrunde, die von allen beteiligten Eltern im wesentlichen geteilt und nach außen hin vertreten wurden:
  • allen Kindern spätestens vom 3. Lebensjahr an soll die Möglichkeit sozialer Erfahrungen in der Gruppe von Gleichaltrigen gegeben werden,
  • Begabungen sind nicht vorgeformt, sondern formbar und hängen weitgehend von der Umwelt des Kindes ab. Leistungsbereitschaft und Interessen, Antriebe und Motive entwickeln sich an den Angeboten der Umwelt. Daher gilt es, den Kindern andere und zusätzliche Lernerfahrungen anzubieten vor allem im Rahmen der emanzipatorischen Vorschulerziehung,
  • durch den weitgehenden Verzicht auf den Zwang zur Sauberkeit und Ordung, zum Stillsitzen und Ruhigsein, zu vorbestimmten Zeiteinteilungen und Verrichtungen wird das Recht des Kindes anerkannt, frei zu entscheiden. Der Erzieher kann dem Kind seine Hilfe anbieten, muss dabei aber das Recht des Kindes anerkennen, diese Hilfe zu verweigern oder abzulehnen,
  • erwünschte Verhaltensweisen werden von den Erziehern nicht normativ den Kindern vorgegeben und mit Strafandrohungen durchzusetzen versucht, sondern in der Gruppe selbst entwickelt und gefunden. Bei Konflikten greift der Erzieher erst ein, wenn die psychische und physische Gesundheit des Kindes bedroht ist.

Chronologie

Januar 1972

Erstellung eines Satzungsentwurfes

18.02.1972

Gründungsversammlung in der Rathausschänke Bottrop
Wahl des Vorstandes: 1. Vorsitzender Hermann Hölter 2. Vorsitzender: Georg Hulisz

24.04.1972

Gemeinnützigkeitserklärung des Finanzamtes

ab 24.04.1972

Schwimmen in der Grundschule Mühlenstraße

ab 04.10.1972

Turnstunden im Gymnastikraum der Kreuzkampschule

13.07.1972

Bericht in den St. Pauli Nachrichten über den „antiautoritären“ Kinderladen Bottrop

13.06.1972

Die Rheinstahl Energie GmbH erklärt sich bereit, dem Verein Kinderladen Bottrop e.V. die Räumlichkeiten des Kindergartens an der Hafenstraße 114 ab Oktober 1972 zu vermieten. Der bisherige Mieter, die katholische Kirchengemeinde St. Matthias, wird gebeten, den Eltern des Kinderladens die bereits leerstehenden Räumlichkeiten des Kindergartens ab August 1972 zu überlassen.

26.08.1972

Der Bürger- und Verkehrsverein Bottrop-Ebel wendet sich in einer Resolution gegen die Errichtung eines zweiten Kindergartens (Kinderladens) im Ortsteil Ebel und spricht von „unnütz verschleuderten Steuergeldern“.

04.09.1972

Anerkennung als Träger der freien Jugendhilfe

Anerkennung

21.09.1972

In einer Flugblattaktion wenden sich die Eltern des Kinderladens e.V. gegen die Anfeindungen des Bürger- und Verkehrsvereins Ebel, der dem Kinderladen „Erziehungsexperimente“ vorwirft und die Errichtung des Kinderladens im Ortsteil Ebel zu verhindern sucht. Eine Einladung zu einem „Offenen Gepräch“ in der Gaststätte Krass wird von dem Bürger- und Verkehrsverein Ebel boykottiert. Die „Gegner“ erscheinen nicht.

16.10.1972

Die Rheinstahl Energie GmbH bietet dem Kinderladen e.V. die ehemalige Lohnhalle der Zeche Prosper I als Erzatz für das Gebäude des Kindergartens Ebel an. das nicht mehr zur Verfügung steht, da die Gemeinde St. Matthias dieses Gebäude kaufen will, um dort eine Altentagesstätte zu errichten.

25.02.1973

Abschluss des Mietvertrages mit der Rheinstahl Energie GmbH

17.04.1973

Zuschuss vom Stadtjugendamt von DM 2.531,50 für den Umbau und die Einrichtung des Kinderladens

02.04.1973

Beginn der Arbeit im Kinderladen

13.04.1973

Mitgliederversammlung mit Wahl des neuen Vorstandes
1. Vorsitzender: Wolfgang Müller 2. Vorsitzende: Uschi Zerbe

28.08.1973

Befreiungsverfügung vom Landschaftsverband Westfalen_Lippe

25.01.1974

Mitgliederversammlung mit Wahl des neuen Vorstandes
1. Vorsitzender: Georg Hulisz 2. Vorsitzende: Uschi Zerbe

22.02.1974

Karnevalsfete im Kinderladen

01.06.1974

Flugblattaktion zum DKP – Kinderfest

03.06.1974

Tag der Offenen Tür

August 1974

Anzeigenkampagne in der WAZ und RN zur Werbung neuer Mitglieder
Übernachtung in der Jugendherberge Velbert und Ausflug nach Wuppertal

08.10.1974

Der Jugendhilfeausschuss bewilligt DM 3.000,00 zum Einbau einer Heizung

01.02.1975

Karnevalsfeier in den Räumen des Kinderladens

Februar 1975

Erneute Anzeigenkampagne in der WAZ zur Werbung neuer Mitglieder

07.03.1975

Mitgliederversammlung mit Wahl des neuen Vorstandes
1. Vorsitzender: Georg Hulisz 2. Vorsitzende: Uschi Zerbe

30.04.1976

Auflösung des Vereins durch Beschluss der Mitgliederversammlung

22.05.1996

Abschluss des Amtslöschungsverfahrens durch das Registergericht

Bildergalerien

Galerie von Schwarz-Weiß-Fotos aus den Jahren 1972 -1974

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Galerie von Farbbildern aus den Jahren 1972 -1974

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Geschrieben am 11. Februar 2011, vor 14 Jahren

4 Antworten zu “Kinderladen Bottrop e.V.”

  1. Uschi Lodenkämper ( ehemals Zerbe) sagt:

    Ja, schöne Erinnerungen an das Kinderladen – Projekt! Es war eine schöne und aufregende Zeit und hat viel Spaß gemacht. Den Kindern ist es sicher sehr zugute gekommen. Danke an Georg, dass er das alles veröffentlicht hat.

    Uschi Lodenkämper

  2. Aus aktuellem Anlass suchte ich im Netz Informationen zum Ortsteil Bottrop – Ebel und fand diesen genialen historischen Abriss unserer Kinderladenzeit.
    Danke Georg, es weckt schöne Erinnerungen und war für alle eine wichtige und prägende Zeit.
    Unsere Kinder denken heute noch gerne daran zurück.

    Ulla Wiellem

  3. Sandra Crider (ehemals Zerbe) sagt:

    Ich bin damals eines der Kinder gewesen dass im Kinderladen aufgewachsen ist. Ich muss sagen ich habe sehr schoene Erinnerungen an meine Tage im Kinderladen. Ich habe viel gelernt dass ich ins weitere Leben hereintragen und nutzen konnte. Vielen dank an alle Eltern, hauptsaechlich natuerlich meine Eltern, Ursula Lodenkaemper (ehemalige Zerbe) und Horst Zerbe , die mir das moeglich gemacht haben und an den Georg fuer den Artikel und die schoenen Bilder,

    -Sandra

  4. Dagmar Pausewang sagt:

    Hallo,
    Auch ich bin ein ehemaliges kinderladen Kind. Meine Erinnerungen sind sehr schön, vor allem, dass genau gegenüber eine eisfabrik war und wir öfter leckeres Eis bekommen haben. Auch kann ich mich an tolle Spiel und bastelaktionen erinnern. Vor allem der Zusammenhalt hat mir gut getan.
    Würde gerne Kontakt zu ehemaligen aufnehmen. Seit 11 Jahren wohne ich wieder in bottrop, habe aber noch nie jemanden von früher getroffen.

    Dagmar

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