Anatevka im Musiktheater im Revier (MIR)

Die Geschichte um den Milchmann Tevje und seine heiratsfähigen Töchter rührt an, zumal die Handlung die Diskriminierung und Vertreibung der ukrainischen Juden zu Anfang des letzten Jahrhunderts im zaristischen Russland thematisiert. Dass die Aufführung trotzdem allgemein menschliche Schwächen und Leidenschaften offenbart und Elementen der Komik und des Humors ausreichend Raum gibt, ist dem Gegensatz zwischen der traditionellen Lebensweise der etablierten Schtetelbewohner und den Ansprüchen und Forderungen der nachwachsenden Generation zu danken, die ihren eigenen Weg gehen will. So erscheinen die Aktivitäten der agilen Heiratsvermittlerin Jente ebenso obsolet wie viele der religiösen und gesellschaftlichen Vorschriften und Zwänge, denen auch Tevje sich unterwerfen muss.

Durch geschicktes Abwägen (andrerseits … andrerseits) gelingt es ihm, für die unkonventionelle Partnerwahl seiner Töchter Zeitel und Hodel noch Verständnis aufzubringen, erst als die dritte Tochter einen Russen, der nicht dem Volke Israels angehört, ehelichen will, ist die Grenze seiner Toleranz erreicht. Tevja bricht mit seiner Tochter und selbst bei der Vertreibung der jüdischen Dorfbewohner aus Anatevka kommt es zu keiner Versöhnung.

In der Gelsenkirchener Aufführung agieren fast einhundert Schauspieler und Tänzer und sorgen für furiose Tanz- und Balletteinlagen. Die musikalische Untermalung mit Klezmerklängen und russischen Volksweisen ist zurückhaltend und der Handlung angemessen.

Geschrieben am 4. März 2011, vor 14 Jahren

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